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BAUWIRTSCHAFT IN DER CORONA-KRISE

02.04.2020 von Rechtsanwältin Larissa Martin

Die Verträge können nicht erfüllt werden, weil die Bauarbeiter krank sind, wegen Engpässen und Verzögerungen in den Lieferketten oder weil Bauherren ihre Bauvorhaben gerne verschieben würden. Größere Projekte sind regelmäßig durch Vertragsstrafen abgesichert, sodass Unternehmen mit horrenden Strafen zu rechnen haben, wenn ihre Bauvorhaben nicht pünktlich fertiggestellt werden. Ganz besonders schwer trifft die Krise den Mittelstand ohne ausreichende Rücklagen, wenn auf einer Seite die Erträge wegen Verzögerung der Ausführung wegfallen, auf der anderen Seite aber die vertraglichen Verpflichtungen gegenüber eigenen Arbeitnehmer und anderen Vertragspartnern bestehen bleiben und eingefordert werden.

Es stellen sich auch weitere zahlreichen Fragen im Hinblick darauf, wie man sich in einer solchen Situation richtig verhalten soll, um nicht Schadensersatzansprüchen ausgesetzt zu werden bzw. um nicht die Auftraggeber zu verlieren.

Dabei ist die Findung der richtigen Option nicht immer möglich. Angesichts dessen, dass nicht alle Personen mit Fiber auf Covid-19 getestet werden, kann sich der Unternehmer kaum auf die ausgefallenen Arbeitskräfte berufen, wenn seine Mitarbeiter über keinen ärztlichen Attest verfügen, welcher eine Erkrankung mit SARS-CoV-2 bescheinigen würde. Die saisonale Grippewelle hat ein Unternehmer einzukalkulieren, sodass ein gewisser Ausfall an Arbeitskräften nicht dazu führen darf, dass die Verträge nicht mehr bedient werden können. Eine Besonderheit der Situation besteht allerdings darin, dass die Bevölkerung derzeit für die Covid-19-Problematik besonders sensibilisiert ist. Das führt zwangsläufig dazu, dass viel mehr Aufträge wegfallen als dies bei einer üblichen Grippewelle der Fall ist.

Es gibt zwar (glücklicherweise) noch keine Rechtsprechung dazu, ob und inwieweit eine Epidemie eine Lösung von Verträgen ermöglicht. Es sind sich jedoch alle einig, dass derzeit ein Ausnahmezustand herrscht, der keine verlässlichen Prognosen über die zukünftig zu erbringenden Leistungen erlaubt.

Grundsätzlich gilt natürlich, dass die Verträge zu erfüllen sind. Ist es aber z. B. auf Grund einer behördlichen Anordnung dem Unternehmer unmöglich, den Vertrag zu erfüllen, kann er sich auf § 275 Abs. 1 BGB berufen, sodass er jedenfalls für die Zeit der Unmöglichkeit von der Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtung frei wird. Ob der Vertrag dann als Ganzes untergeht, weil der Besteller an der Leistung nicht mehr interessiert ist (Fixgeschäft) gehört in die Prüfung des Einzelfalls. Abgelaufene Fertigstellungstermine in der Bauwirtschaft führen in der Regel nicht zur Unmöglichkeit der Leistung (absolutes Fixgeschäft). Der Auftragnehmer kann berechtigterweise davon ausgehen, dass der Bauherr weiterhin an der Fertigstellung seines Vorhabens interessiert ist. Will sich der Bauherr vom Vertrag lösen, ist er grundsätzlich auf die Kündigung der vertraglichen Beziehung zu verweisen.

Dabei wird der Bauherr bei einer wirksamen Anwendung des „Corona-Arguments“ gegen Unternehmer keine Verzögerungsschäden geltend machen können. Denn ein Anspruch auf Schadensersatz setzt Verschulden voraus. Daran fehlt es, wenn die Verzögerung durch „höhere Gewalt“ verursacht wird. Die „höhere Gewalt“ wird in der Rechtsprechung als ein außergewöhnliches, betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter (betriebsfremder) Personen herbeigeführtes und nach menschlicher Einsicht und Erfahrungen unvorhersehbares Ereignis verstanden, das mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste Sorgfalt nicht verhütet werden kann und das auch nicht im Hinblick auf reine Häufigkeit in Kauf genommen werden muss (NJW-RR 2003, 1465).

Es kommt also darauf an, ob die Corona-Krise für den Betroffenen vorhersehbar gewesen ist oder nicht.

Dazu gibt es zwar noch keine Rechtsprechung. Höchst wahrscheinlich wird der 08. März 2020 als Stichtag für Entscheidungen in solchen Konstellationen dienen.

Im Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht ist z.B. festgelegt, dass Kleinstunternehmen die Erfüllung der vor dem 8. März 2020 geschlossen Verträge bis zum 30. Juni 2020 verweigern können, wenn infolge der COVID-19-Pandemie das Unternehmen seine Leistung nicht erbringen kann oder dem Unternehmen die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung seiner wirtschaftlichen Grundlagen nicht möglich wäre.

Im Entwurf des Gesetzes heißt es, dass 08. März 2020 der Zeitpunkt ist, „in dem eine pandemieartige Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus in der breiten Öffentlichkeit noch nicht absehbar war“. Ob sich die Gerichte der Beibehaltung des 08. März 2020 als des relevanten Stichtags anschließen, bleibt abzuwarten. Ab dem März 2020 haben die Unternehmen beim Abschluss der Verträge mit Corona-relevanten Risiken zu rechnen. Wird ein Unternehmen seine Verpflichtung nicht erfüllen können, wenn auch wegen Verzögerungen seiner Lieferanten, hat er bei Verzug Schadensersatz zu leisten.

Sieht sich ein Unternehmer außerstande, seine vertraglichen Leistungen zu erbringen, ist er gut beraten, dem Bauherren eine Behinderungsanzeige abzugeben. Ob er sich dann im Einzelfall auf die „höhere Gewalt“ der Corona-Pandemie berufen kann, erfordert die Prüfung der konkreten Gestaltung der vertraglichen Beziehung. Um Zweifel auszuschließen, ist die Rücksprache mit einem fachkundigen Rechtsanwalt zu empfehlen.

Bei Fragen hinsichtlich Ihrer Möglichkeiten und Ansprüchen beraten wir Sie gerne.